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Immortelle ( gelöscht )
Beiträge:

21.03.2012 22:20
Mutter N. Antworten

Mutter N (M. W. *10.09.2010)

Es gab zwei Schwestern. E und N.
Sie wohnten eng beieinander. Eine war der anderen Heim.
Die Erste war kinderlos, aber doch eine Mutter.
Die andere war reich an Kindern.
Auf E bauten die kleinsten Kinder Höhlen, Baue und Nester.
Und immer mit Material, das Mutter N ihnen gab.
Die großen Kinder der N verdrängten erst die kleinen, um in ihren Behausungen zu wohnen. Mutter N gab auch ihnen Rohstoffe und sprach:

"Ihr seid hoch an Intelligenz, baut euch etwas eigenes daraus. Ich habe viel davon, es reicht für alle. Für Jahre.
Aber um drei Dinge bitte ich euch:
Baut nur dort, wo ich es euch sage.
Baut nur mit dem, was ich euch gebe.
Baut in Eintracht mit den kleinen Kindern und lasst ihnen ihren Platz bei Mutter E."

Die großen Kinder taten erst wie ihnen geheißen. Doch bald fanden sie, die kleinen bekämen besseres Material und schönere Plätze zugewiesen.
Leise stahlen sie aus ihrer eigenen Mutter Lager und verschoben heimlich langsam die Behausungen der kleinen Kinder.

Als Mutter N das merkte, konnte sie nichts weiter tun als den großen Kindern zuzureden: "Hört auf. Ich gebe euch, was ihr braucht. Diese Dinge waren für Mutter E bestimmt. Was mir fehlt, fehlt auch ihr."

Und das Tagwerk der Mutter N wurde durch die fehlenden Dinge gestört.
Der Wind fegte ungehindert durch die freien Plätze. Wasser sammelte sich in den Behausungen der großen Kinder, die einen Standort ohne Rat der Mutter N bebaut hatten.

Feuer, Wasser, Wind, Erde und Eis wurden eins.

"Mutter E, so tu doch was! Deine Schwester verdirbt uns unsere Arbeit!"

"Füllt meine Wunden wieder auf. Schneller als das Gras es kann. Baut nicht mehr, als dass sie euch Material geben kann. Stiehlt nicht von ihr, sondern gebt ihr auch etwas wieder. Sie gibt euch das Essen, dass ihr braucht. Ihr braucht euch keine Sorgen darum zu machen und nicht immer noch mehr von meiner Schwester zu verlangen."

Die Meinung der großen Kinder teilte sich. Nunmehr beide Parteien der großen Kinder nahmen nach Langem wieder von den kleinen Notiz. Doch dabei auch zweigeteilt.

Die einen schützten wiederum die beiden Mütter vor dem Drängen. Sie trennten Teile von Mutter E von den Undankbaren ab. Sie trennten bestimmte der kleinen Kinder vor ihrem Zugriff.

Die anderen verlangten: "Alles kommt doch von euch. Warum sollen wir euch etwas geben? Gebt uns mehr. Gebt uns, was wir wollen!

Mutter N. Wir wollen schweben wie der Adler. Sag uns wie und gib uns Material.
Mutter N. Wir wollen treiben wie die Schwäne. Sag uns wie und gib uns Material.
Mutter N. Wir wollen tauchen wie die Fische. Sag uns wie und gib uns Material.
Mutter N. Wir wollen schnell sein wie der Gepard. Sag uns wie und gib uns Material."

Die Mutter schaute ihre großen Kinder an. Sie war gut. Sie hatte aber auch Angst.

"Wie der Adler schwebt, dass weiß nur er. Aber Material bekommt ihr von mir nicht.
Wie der Schwan treibt, dass weiß nur er. Aber Material bekommt ihr von mir nicht.
Wie der Fisch taucht, dass weiß nur er. Aber Material bekommt ihr von mir nicht.
Warum der Gepard so schnell ist, dass weiß nur er. Aber Material bekommt ihr von mir nicht."

Die Kinder gerieten in Zorn:
Sie schossen den Adler vom Himmel.
Sie rupften den Schwan.
Sie verbrannten den Fisch.
Sie sperrten den Gepard in einen Käfig.

Doch damit nicht genug:
"Mutter N. Deine kleinen Kinder hast du lieber als uns. Sie sind alle so zahlreich und wir überschaubar. Gib uns Geschwister, auf dass wir so viele wie die Ameisen werden, die ihr Vielfaches auf dem Rücken tragen können.
Gib uns Geschwister, dass wir die Berge abtragen können - sie sind uns im Weg!"

Mutter N war traurig und weinte viele Tage Tränen auf den Körper von Mutter E.
Diese jedoch was so entzürnt dass sie bebte, und die Flüsse und Ozeane überliefen und viele der großen Kinder ertranken.

Mutter N sprach zu ihren großen Kindern: "Die kleinen nehmen von mir, was ich ihnen gebe. Ihr aber stiehlt und fügt mir, eurer Mutter, und meiner Schwester Leid zu. Ihr zerstört, was wir euch gaben. Nein, ich werde euch keine weiteren Geschwister schenken!"

"So machen wir es selbst!"

Die großen Kinder holten sich kleine in die Häuser und auf ihre Felder.
Züchtigten und ängstigten sie so, dass sie sich ihrem Willen beugten.
Das Pferd zog sie übers Land. Die Kuh, das Schaf und die Ziege gaben ihnen mehr Milch, als für ihre eigenen Jungen da war.
Eingeschüchtert ließen die kleinen ihr Fell samt Haut fallen, dass ihre Geschwister in den kalten Wintern von Mutter N nicht erfroren.

Sie zogen widerwillig mit den großen in deren nächsten Kampf: Das Abtragen der Berge.
Doch diese weigerten sich. Von oben war ihnen nie beizukommen, von unten nur duch das Ausschlagen von Höhlen und Gängen.

Auf ihrem Weg durch das dunkle Innere der Berge fanden die großen Kinder zuerst die Geschenke von Mutter N an ihre Schwester: Glänzende Edelsteine. Ungewaschen, fast unsichtbares Gold. Im Feuer wärmende Kohlesteine. Schreibbare Kreidestücke.

Als dies alles im Vorkommen erschöpft zur Oberfläche gebracht war, forderten die großen Kinder: "Mutter E. Gib uns mehr davon! Wir brauchen es. Ohne das können wir nicht mehr leben!"

"Ihr habt euch alles genommen, was ich davon hatte. Es wieder zu erschaffen in dieser Menge, dauert zu lange für euer Dasein. Ihr könnt ohne es leben. Eure kleinen Geschwister können es ja auch."
"Nein! Wir können nicht!"

Wenn es auf der Geraden nichts mehr gab, so musste Mutter E es wohl in der Tiefe versteckt haben. Wer wollte schon noch Berge versetzen, wenn es in ihnen solche Dinge gab?
Und in der Tiefe fanden sie das Blut von Mutter E.
Schwarz wie das Innere der Mutter E, das sie umgab.
Schwarz wie die Dunkelheit der Nacht, vor der sie nie die Angst verlieren würden.

Wenn Mutter E ihr Blut so färbte wie die tiefsten Ängste der großen Kinder, so konnte es nur gut sein.
Und wirklich: Damit schwebten sie alsbald wie der Adler.
Sie trieben wie der Schwan.
Sie konnten tiefer tauchen als der Fisch.
Und sie waren sogar schneller als jeder Gepard.
Sie waren am Ziel ihrer Träume.

Doch es reichte ihnen nicht.
Hatten sie viel vom Blut der Mutter E, so betrieben sie alles dazu fähige damit und produzierten ihre Dinge daraus.
Hatten Sie wenig, so beklagten Sie sich und glaubten, bald zu sterben.

Mutter E ging es zusehends schlechter.
Ihre Haut wurde von Tag zu Tag mehr mit fester Kruste übersäht, wo früher blühende Wiesen waren.
Die großen Kinder machten Fehler beim Fördern des schwarzen Blutes, und es überlief manchmal große Stellen von Mutter E, auf denen danach jedes Leben für lange Zeit vertrieben wurde.
Am schlimmsten war es, wenn das Blut sich mit den Tränenpfützen von Mutter N vermischte. Der Fisch schwamm nicht mehr. Der Schwan trieb nicht mehr. Der Adler hungerte. Des Geparden Zunge verklebte.

Den großen Kindern war dies egal. Sie warnten sich, konnten geschützt durch das Blut treiben. Und dann gab es ja noch das Material, dass sie sich all die Tage durchweg immer noch aus dem Lager von Mutter N stahlen.

Mutter N schickte Stürme, weinte unablässig Tränen. Wind forderte viele Leben der großen Kinder.
Doch anders strafen konnte Mutter N ihre Kinder nicht. Sie liebte sie trotzdem.
In ihrer Verzweiflung gefroren im Sommer die Flüsse. Im Winter brannte das Land.
Ihre Schwester bebte in Leidenskrämpfen und aus ihren fiebrigen Poren floss heißes Gestein über die Ebenen.

Die großen Kinder beschwerten sich darüber: "Warum macht ihr das? Kehrt zu eurer alten Ordnung zurück! Wir haben so viel Arbeit in diese jetzige Schönheit hinein gesteckt.
Fordert das Leben unserer kleinen Geschwister, die ach so zahlreich und unnütz sind! Aber lasst uns die, die wir für uns von euch geholt haben. Ihr liebt uns doch und wollt doch nicht, dass wir sterben?"

Von Krämpfen geschüttelt seufzte Mutter E: "Ihr nahmt mein Blut, nun bin ich leer. Kein Tropfen ist mehr in mir. Eure Gänge die ihr grubt, füllen sich mit Wasser und Gas. Hier fällt meine Haut ein, dort speit Gestein aus meinen Poren heraus. Es tut mir leid. Aber da ich nun sterbe, sterbt auch ihr."

Mutter N flüsterte mit ihren letzten Tränen auf ihre großen Kinder: "Ich gab euch, was ihr brauchtet. Ihr nahmt euch, was euch nicht gehörte. Ihr
quältet meine kleinen Kinder. Zu eurem Nutzen. Zu eurem Spaß. Ich bin nur da, weil es meine Schwester gibt. Und sie ist nur da, weil es mich gibt. Stirbt eine von uns, stirbt auch die andere. Wir liebten euch, ihr erwidertet es nicht. Ihr nahmt alles für selbstverständlich. Man kann nichts nehmen, ohne zu etwas zurück zu geben."

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